Monatsarchiv: April 2013

Target2 und die Zahlungsbilanz

Der Blogger Soffisticated hat sich in seinem letzten Beitrag erneut dem Target2-Thema zugewandt. Soffisticated gehört, wie man seinem Beitrag entnehmen kann, der relativ kleinen Gruppe von Ökonomen, Bloggern und Journalisten, die den Target2-Salden jegliche volkwirtschaftliche Bedeutung absprechen.Die Mitglieder dieser Gruppe kennen sich üblicherweise sehr gut in den Zentralbank-Interna aus und leiten aus diesem Wissen sehr „soffisticated“ Erklärungen für ihre Thesen ab. Und wenn man sich in dieser Interna NICHT auskennt, klingen die Ausführungen mitunter sogar ziemlich überzeugend. Deshalb aber werden diese Thesen leider nicht richtig. Um zu verstehen warum dem so ist, lohnt es sich, die Zentralbanken für einen Moment ganz zu vergessen und die Target2-Salden aus einem ganz anderen Blickwinkel zu betrachten, nämlich als Bestandteil der Zahlungsbilanz. Die Definition der Zahlungsbilanz  lautet im Wikipedia wie folgt:

Die Zahlungsbilanz erfasst für einen bestimmten Zeitraum wertmäßig alle wirtschaftlichen Transaktionen zwischen Inländern und Ausländern und gibt Auskunft über die ökonomische Verflechtung einer Volkswirtschaft mit dem Ausland.

Die wirtschaftlichen Transaktionen aus der Definition sind Warenkäufe und Verkäufe,  laufende Arbeits und Kapitaleinkommen, Investitionen, Kredite, Schenkungen usw. usw.  Dementsprechend beinhaltet die Zahlungsbilanz  für ein Land mit eigener Währung folgende Teilbilanzen:

  • Handelsbilanz
  • Einkommensbilanz
  • Schenkungsbilanz
  • Kapitalbilanz  (Kapitalinverstitionen, Kredite, etc.)
  • Devisenbilanz (Veränderung der Devisenreserven)

Die Devisenbilanz spielt hierbei eine besondere Rolle, denn jeder Veränderung in den ersten drei Bilanzen steht immer eine wertmäßig entgegengesetzte Veränderung in der Devisenbilanz entgegen.  Das ist deshalb so, weil bei jeder wirtschaftlichen Transaktion ein Bezahlungsvorgang stattfindet, für welchen die Teilnehmer die Währung (Devisen) des jeweils anderen Landes brauchen.  Es folgt, dass die  gesamte Zahlungsbilanz definitionsgemäß immer ausgeglichen ist. Ein Land innerhalb der EWU kann aber Transaktionen mit anderen Ländern innerhalb der EWU tätigen, für welche es keine Devisen braucht. Für diese Transaktionen  wird also eine weitere Bilanz benötigt, die die ausgleichende Rolle  der Devisenbilanz spielen soll,  und genau diese Rolle spielt im Moment die Target2-Bilanz  (Veränderung des Target2-Saldo) . Für ein Land innerhalb der EWU besteht die ausgeglichene Zahlungsbilanz somit aus folgenden Teilbilanzen:

  • Handelsbilanz
  • Einkommensbilanz
  • Schenkungsbilanz
  • Kapitalbilanz (Kapitalinverstitionen, Kredite, etc.)
  • Devisenbilanz (Veränderung der Devisenreserven)
  • Target2-Bilanz (Veränderung des Target2-Saldo)

Die Summe der Devisenbilanz und der Target2-Bilanz gibt also, vereinfacht gesprochen, Auskunft darüber, ob ein Land durch wirtschaftliche Transaktionen mehr ausgibt als einnimmt oder umgekehrt.  Zwischen den beiden gibt es aber einen grundsätzlichen Unterschied – während die Devisenbilanz eine Landes nicht permanent negativ sein kann, denn irgendwann gehen die Devisenreserven aus, so dass das Land mit der negativen Bilanz reagieren muß, üblicherweise mit einer Währungsabwertung,  kann die Target2-Bilanz theoretisch beliebig ins negative wachsen,  wenn hier keine Grenzen gesetzt werden.  Und diese Grenzen kann in der heutigen Euro-Architektur nur die EZB setzen (und somit sind wir wieder bei Zentralbanken), indem sie den Geschäftsbanken in dem Defizitland die, für das weitere Anwachsen der negativen Target2-Salden notwendigen, Zenralbankkredite verweigert.  Das tut die EZB im Moment verständlicherweise ungerne, denn damit würde sie die betroffenen Banken in die Pleite treiben und die Stabilität des Euro-Systems gefährden.

Wirtschaftswurm und der negative Multiplikator

Der Blogger Wirtschaftswurm hat sich in die Debatte um die Reinhard-Rogoff-Studie und die jetzt diskreditierte magische 90%-Grenze bei der Staatsverschuldung eingeschaltet. Wie von jemanden, der Keynesianer hasst, nicht anders zu erwarten wäre, greift er in der ersten Hälfte seines Beitrags die keynesianische Wirtschaftspolitik im Allgemeinen und die deutschen Keynesianer im Besonderen an. Zitat:

Wer glaubt, Schuldenmachen sei ein wichtiges Mittel, um die Wirtschaft zu stimulieren, dem war eine feste Obergrenze wie die 90-%-Quote ein Dorn im Auge.

So weit also nichts besonderes. Interessant wird es aber im zweiten Teil, wo Wirtschaftswurm gleichsam im Vorbeigehen eine eigene Theorie für die negative Korrelation zwischen Staatsverschuldung und Wirtschaftswachstum entwickelt. Zitat:

Machen wir uns dazu einmal klar, warum staatliche Schulden überhaupt einen negativen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben können. Was ist das Bindeglied zwischen beiden? Richtig, der Zins. Braucht der Staat viele Anleihen, erhöht das die Kreditnachfrage und nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage steigen die Zinsen allgemein. Bei hohen Zinsen werden aber die Unternehmen und die Privathaushalte ihre Kreditnachfrage reduzieren. Sie werden dann auch weniger investieren bzw. konsumieren. Dies beeinflusst das Wirtschaftswachstum negativ.

Wenn man das Zitat genauer durchliest, dann wird einem schnell klar, dass zwischen Wirtschaftswurm und Keynesianern tatsächlich Welten liegen, denn Wirtschaftswurm behauptet mit seinem Statement nichts anderes als die Existenz eines negativen Staatsausgabenmultiplikators. Mit anderen Worten, er sagt uns, dass eine (schuldenfinanzierte) Staatsausgabenerhöhung zu einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts führen kann. Das ist allerdings etwas, was das keynesianische IS-LM-Modell, welches angehende Makroökonomen (also zu seiner zu seiner Zeit auch Wirtschaftswurm, der ja ein Diplom-Volkswirt ist) im Grundstudium pauken, definitiv ausschließt. Um das zu verstehen, reicht bereits ein Blick auf das vielen sicherlich vertraute IS-LM-Diagramm:

IS-LM-Diagramm

Einer Erhöhung der Staatsausgaben (schuldenfinanziert oder nicht) entspricht in diesem Diagramm eine Verschiebung der IS-Kurve nach oben und rechts. Das führt zum Einen, wie Wirtschaftswurm auch korrekterweise sagt, zu einer Erhöhung des Zinsniveau und zum Anderen zur einer Output-Erhöhung. Da die LM-Kurve steigend verläuft, ist die Output-Veränderung immer nicht negativ, der genaue Umfang hängt von der Neigung der LM-Kurve ab.

Mir persönlich ist kein theoretisches Modell bekannt, aus dem ein negativer Staatsausgabenmultiplikator abgeleitet werden könnte (ich bin aber auch nur ein Freizeitökonom). Möglicherweise weiß Wirtschaftswurm an der Stelle mehr und wollte es bloß nicht verraten. Der amerikanische Ökonom Alberto Alesina hat allerdings vor einigen Jahren den negativen Staatsausgabenmultiplikator ökonometrisch belegt, oder zumindest so behauptet. Seine Arbeit diente, ähnlich der Arbeit von Reinhard-Rogoff als Begründung für die Austeritätsprogramme in Großbritanien und Europa und wird mittlerweile genauso stark angezweifelt. In jedem Fall sprechen die Ergebnisse der Austeritätsprogramme nicht gerade für Alesinas Theorie (oder auch für die von Reinhard-Rogoff).

EZB-Vermögensstudie und Immobilienpreise

Die Diskussion um die EZB-Vermögensstudie treibt immer absonderlichere Blüten, inzwischen musste sogar unsere Regierungschefin zum diesem Thema Stellung beziehen. Vor kurzem habe ich schon gezeigt warum die besagte Studie für einen internationalen Reichtumsvergleich komplett ungeeignet ist. Heute werde ich, wieder anhand eines Beispiels, einen weiteren Aspekt der Debatte unter die Lupe nehmen – die Frage mit den Immobilienvermögen.  Es wurde schon mehrfach sowohl in Medien aus auch in der Blogosphere auf die Tatsache hingewiesen, dass der angebliche Reichtum der südeuropäischen Haushalte unter anderem auf die durch Immobilienblasen zu hoch ausgewiesene Hauspreise zurückgeführt werden kann. Im folgenden Beispiel werde ich mit einem sehr einfachen ökonomischen Modell zeigen, dass es für diesen Effekt nicht mal einer Blase bedarf, es reicht schon, wenn das Wohnen relativ zu anderen Waren/Dienstleistungen im angeblich reicheren Land höher bewertet wird als im angeblich ärmeren Land.

Betrachten wir wieder zwei Länder, Land A und Land B mit jeweils 1000 Haushalten. Beide Länder sind Agrarökonomien, deren Bewohner nur ein Landwirtschaftsgut anbauen und verbrauchen – Kartoffeln. Die Haushalte beider Länder (man sollte wohl besser von Höfen sprechen) teilen sich in zwei Gruppen. Die erste Gruppe sind Hausbesitzer. Hausbesitzer benutzen ihre Häuser zum Einen zum Selbstbewohnen und zum Anderen vermieten sie einen Teil der Wohnfläche und kaufen vom Ertrag Kartoffeln, die sie zusätzlich zu der eigenen Ernte verbrauchen. Die zweite Gruppe sind Mieter. Die Mieter verkaufen auf dem Markt einen Teil ihrer Kartoffelernte und benutzen den Ertrag um von den Immobilienbesitzern Wohnfläche zu mieten, denn irgendwo müssen sie ja wohnen und ein eigenes Haus haben sie nicht. Um weitere Überlegungen anstellen zu können, wollen wir jetzt das Verhältnis der Jahresmiete auf dem Wohnmarkt zum Kartoffelpreis bestimmen. Hierzu nehmen wir an, dass Bewohner beider Länder in ihren Miet- bzw. Kaufentscheidungen von einer Cobb-Douglas Nutzensfunktion geleitet werden – eine Standardannahme in den Wirtschaftswissenschaften. Die Nutzenfunktion sieht wie folgt aus:

U(s,f) = s^a*f^(1-a)

Hierbei ist: s – die Haushaltswohnfläche, f – Haushaltskartoffelverbrauch pro Jahr

Für eine solche Nutzenfunktion gilt folgende Beziehung zwischen dem Kartoffelpreis und der Jahresmiete (pro Quadratmeter).

Ps/Pf = (a/(1-a))(F/S)

Hierbei is a – der Parameter der Cobb-Douglas-Funktion, F – die Gesamtkartoffelproduktion des Landes und S – die Gesamtwohnfläche des Landes, Ps – Jahresmiete, Pf – Kartoffelpreis

Wir nehmen ferner an, dass unsere beide Länder Handel miteinander treiben, wobei die Handelsbilanz ausgeglichen ist. Dadurch ist der Kartoffelpreis in beiden Ländern gleich, nämlich 1 EUR pro Kilogramm (der nominelle Wert ist natürlich rein willkürlich gesetzt). Um Quadratmeterpreise mit Hilfe der Rentenbarwertformel aus der Jahresmiete zu berechnen brauchen wir nur noch den Zins, den wir für beide Länder willkürlich mit 2% p.a. annehmen.

So, jetzt ist unser einfaches Modell fertig und es folgen Beispielwerte für A und B

Land A Land B
Kartoffelproduktion (Tonnen) 620 720
Wohnfläche (Tausend qm) 30 50
Cobb-Douglas-Parameter 0,947 0,923
Jahresmiete pro qm 372 EUR 172,80 EUR
Quadratmeterpreis 18.600 EUR 8.640 EUR
Haushaltsdurchschnittsvermögen 558.000 EUR 432.000 EUR

Und voila, wieder, wie beim letzten Mal, ist Land A das reichere der beiden aus Privatvermögen-Sicht – 558.000 EUR zu 432.000 EUR beim Durchschnittsvermögen. Bei realen Werten hingegen, auf die es alleine für die Wohlfahrt ankommt, ist Land B weit besser gestellt – es hat sowohl höhere Kartoffelernten als auch mehr Wohnfläche (auch pro Kopf, da die Bevölkerung gleich groß ist).

Volksvermögen

Nachdem ich mit meinem letzten Beitrag fertig war, habe darüber nachgedacht, ob es viellecht doch eine sinnvolle Möglichkeit gäbe das Vermögen zweier Länder und damit indirekt auch deren Bürger zu vergleichen. Es stellt sich heraus, dass die Statistiker auch dafür einen Begriff haben – es handelt sich um das Volksvermögen.  Das Volksvermögen eines Landes definiert sich durch folgende Gleichung:

Volksvermögen = Vermögensgüter + Nettoauslandsvermögen

Die Vermögensgüter schließen den Kapitalstock eines Landes mit ein, aber auch solche wesentlich schwieriger zu bewertende Dinge wie Grund und Boden, Bodenschätze, Wasserreserven, Patente, Nutzungsrechte etc. etc. etc.

Man ahnt schon wahrscheinlich, dass es leicht ist das Volksvermögen zu definieren aber weit schwieriger dasselbe vernünftig zu bestimmen oder gar international zu vergleichen. Und in der Tat, Angaben beim Eurostat sind praktisch nicht existent (zumindest konnte ich keine finden), so dass meine ursprüngliche Intention einen Vergleich des  Volksvermögens pro Kopf innerhalb der EWU anzustellen sich in Luft ausgelöst hat.

Andererseits, wir haben ja schon einen Indikator für den Reichtum eines Landes – nämlich das Volkseinkommen – für einen weiteren, noch dazu weit schwieriger zu bestimmen, lohnt sich die Mühe m.E. gar nicht.

Eine weitere Möglichkeit die Volksvermögen international zu vergleichen wäre es, übrigens, die Unternehmens- und Vermögenseinkommen als Proxy zu benutzen, schließlich kann man argumentieren, dass der „wahre“ Wert eines Vermögensguts, im Gegensatz zum Marktwert, welcher oft irrationalen Schwankungen unterliegt,   sich am Einkommen aus demselben orientieren müsste.

Update: Chaosökonom hat mich in einem Kommentar auf dem Wirtschaftswurm-Blog auf diese Quelle bei der Weltbank hingewiesen. Die neuesten Zahlen sind hier für das Jahr 2005, also relativ alt. Ich habe daraus zwei Diagramme generiert:

Bruttovolksvermögen (enspricht der obigen Definition):

Nettovolksvermögen = Kapitalstock + Nettoauslandsvermögen:

Detschland befindet sich, wie man sieht, in beiden Fällen etwa im Mittelfeld. Ich persönlich bevorzuge das zweite Diagramm, weil mir die Zahlen zum „intangible wealth“ viel zu unsicher/willkürlich scheinen.

Update2:  Habe gerade bemerkt, dass Paul der Grauwe (einer von Hans-Werner-Sinns schärfsten Kritiker in der Target2-Debatte) sich in die Diskussion eingeschaltet hat.   Hier ist sein Artikel zum Thema.

Die EZB-Vermögensstudie und der Trugschluß der Komposition

In der zuletzt in der deutschen Medien- und Bloglandschaft tobenden Diskussion über die EZB-Vermögensstudie ist m.E. eine durchaus nicht unwichtige Frage noch nicht gestellt worden – nämlich, ob es überhaupt zulässig ist vom Reichtum der einzelnen Privathaushalte auf den Reichtum einer Volkswirtschaft zu schließen. In diesem Beitrag werde ich, anhand eines einfachen Beispiels, zeigen, dass ein solcher Schluss überhaupt nicht zulässig  ist und dass diejenigen, die ihn ziehen (siehe z.B. diesen FAZ-Artikel), einem klassischen Trugschluß  der Komposition erliegen.

Betrachten wir zwel Länder A und B mit jeweils drei Haushalten.  Das Vermögen der Haushalte setzt sich aus zwei Aktiva-Arten zusammen – Staatsanleihen des jeweiligen Landes und Sachkapital (Immobilien,  Maschinen usw.). Es gibt keine Banken , keine Unternehmen und die Aktiva werden nur von Inländern gehalten.  Im Einzelnen sieht die Vermögenszusammensetzung der Haushalte wie folgt aus:

Land A:

/ Sachkapital Staatsanleihen Gesamt
Haushalt 1 5.000 EUR 5.000 EUR 10.000 EUR
Haushalt 2 10.000 EUR 10.000 EUR 20.000 EUR
Haushalt 3 40.000 EUR 40.000 EUR 80.000 EUR

Land B:

/ Sachkapital Staatsanleihen Gesamt
Haushalt 1 5.000 EUR 20.000 EUR 25.000 EUR
Haushalt 2 20.000 EUR 40.000 EUR 60.000 EUR
Haushalt 2 25.000 EUR 50.000 EUR 75.000 EUR

Jetzt kommt die (gemeinsame)  Statistibehörde beider Länder auf die Idee Umfrage zur Vermögenssituation der Haushalte durchzuführen. Die Ergebnisse der Umfrage zusammen mit einigen volkswirtschaflichen Kennzahlen sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst:

Land Sachkapital Staatsverschuldung Haushaltsvermögen Median Haushaltsvermögen Durchschnitt
Land A 55.000 EUR 55.000 EUR 20.000 EUR 36.667 EUR
Land B 50.000 EUR 110.000 EUR 60.000 EUR 53.334 EUR

Nun sieht es auf den ersten Blick so aus, dass das Land A und seine Bewohner viel ärmer sind als das Land B und dessen Bewohner  –  20.000 EUR zu 60.000 EUR beim Medianhaushaltsvermögen und 36.667 EUR zu 53.334 EUR beim Durchschnittshaushaltsvermögen. Auf den zweiten Blick jedoch kann man unschwer erkennen, dass der angebliche Reichtum des Landes B auf der, für das Land B eher ungünstigen, Tatsache fußt, dass dessen Staatsverschuldung doppelt so hoch ist wie beim Land A. Die Staatsverschuldung ist aber (in unserem Beispiel zumindest) nur das Geld das die Bewohner eines Landes sich selbst schulden und damit irrelevant. Worauf es ankommt, ist das Sachkapital – und hier liegt das Land A vorn mit 55000 EUR zu 50000 EUR.

In der realen EU ist das Bild natürlich weit komplexer – hier gibt außer dem Haushaltssektor und dem Staat noch den Bankensektor und den Unternehmenssektor, zudem werden Aktiva auch von Ausländern gehalten. Aber der grundsätzliche Schluß bleibt – vom Vermögen der einzelner Haushate auf die ganze Volkswirtschaft zu schließen ist dumm.

Die Basarökonomen sind zurück

Nachdem die Target2-Debatte langsam abgeflaut ist,  bereitet man  in den Tiefen des Ifo-Instituts anscheinend eine neue Sau vor, um diese dann mal wieder durch die deutsche Medienlandschaft zu treiben – siehe diesen Artikel in der WELT. Der Artikel vermeldet stolz, dass durch das Ifo-Institut  das deutsche Export-Monster endlich „entzaubert“ ist.  Wenn man dann ein wenig im Internet stöbert, findet man auf der Seite des Ifo-Instituts recht schnell diesen Artikel, in welchem man dann die Details der großen Enthüllung bewundern darf. Insgesamt ergibt sich das vom H.W. Sinn und seinem Institut gewohnte Muster:

  • Man nehme eine reichlich triviale Tatsache und „entdecke“ sie neu
  • Man definiere einen allgemein bekannten Begriff um und behaupte dann, alle anderen würden diesen Begriff falsch definieren
  • Man arbeite mit den Medien zusammen, um möglich reißerische Schlagzeilen zu produzieren und den Sachverhalt für die Öffentlichkeit noch verwirrender zu machen als es ohnehin schon ist.
  • Nachdem sich weitere Experten zu Wort melden und fragen was das ganze soll, behaupte man, dass alles ganz anders gemeint war und das man für die Medien nicht verantwortlich sei.
  • Nach einer langen und vetrackten Debatte, an deren Ende kein Teilnehmer mehr weiß, worum es eigentlich geht, schreibe man dann ein (gut verkauftes) Buch und genieße den Ruhm.

In unserem konkreten Fall wurde der Muster wie folgt umgesetzt:

Triviale Tatsache –  Hiervon gibt es gleich zwei.  Erstens: in den Exporten eines Landes werden in einer international vernetzten Volkswirtschaft Importe aus anderen Ländern  verwendet.  Zweitens: die Größe des bilateralen Handelssaldo zwischen zwei  Ländern sagt nichts über das Handelssaldo jedes Landes gegenüber dem Rest der Welt (inkl. des zweiten Landes) – reine Arithmetik auf dem  Grundschulniveau.

Begriffsneudefinition – in dem Ifo-Artikel wird der Begriff der Handelsbilanz mit Hilfe eines neuen Begriffs  eines „Wertschöpfungsgehalt“ umdefiniert. Daraus ergeben sich Werte für die bilateralen Handelsbilanzen, die,  keine Überraschung, von denen nach der üblichen Definition berechneten  abweichen. Keine Änderung ergibt sich aber bei den Handelsbilanzen einzelner Länder mit dem Rest der Welt – ein Monster bleibt also ein Monster. Diese Tatsache erwähnt das Papier aber nicht explizit – wozu auch, darum geht es ja gar nicht.

Schlagzeilen:  In der Welt und in der deutschen Ausgabe des Wall Street Journals. Mal sehen ob weitere nachziehen, deutsche Medien lieben es voneinander abzuschreiben – spart Kosten.

Die Diskussion und das Buch fehlen noch – mal schauen, ob der Trick  diesmal gelingt. Soweit also nichts neues. Eine Frage drängt sich einem aber doch auf – müssen die Steuerzahler, um die sich H.W. Sinn ja bekanntlich rührend sorgt, diese Zahlenspiele wirklich bezahlen?

Karl Whelan über Target2

Für diejenigen, die, wie ich selbst, in den Jahren 2011/2012 mit großem Interesse die Target2-Debatte verfolgten, kann ich diesen gerade erschienenen Artikel von Karl Whelan empfehlen. Herr Whelan war während der Debatte einer der schärftsten Widersacher von H.W. Sinn im Ausland. In Deutschland ist er, aufgrund der Tatsache, das seine Beiträge zum Thema (notwendigerweise) auf Englisch  erschienen, weniger bekannt.

Im Artikel erläutert er die Target2-Problematik derart ausführlich, dass es mich wundern würde, wenn man dem noch etwas hinzufügen könnte. Nur einige der Themen sind:

  • Wie entstehen Target2-Salden
  • Vergleich ISA/Target2
  •  Vorschläge von H.W-Sinn und mögliche Konsequenzen
  • Euro-Zerfall – Folgen für die Bundesbank/Deutschland
  • Alternativen zu Target2-Salden in der EZB-Bilanzierung

Und, und, und …

Nichts für Verschwörungstheoretiker, aber wenn jemand die Target2-Problematik wirklich verstehen will – hier wird man geholfen 🙂

Geld

Letzte Woche hatte ich einen kurzen Meinungsaustausch mit JP Koning über sein Verständnis von „Moneyness“.  Obwohl ich jetzt verstanden habe, was er mit diesem Adjektiv meint,  deckt es sich überhaupt nicht mit meinem Verständnis des Begriffs „Geld“.  Auch zuvor habe ich schon festgestellt, dass die moderne VWL ein sehr ambivalentes Verhältnis zum Geld hat.  Sofern Geld in den Modellen überhaupt auftaucht, was keineswegs immer der Fall ist,  druckt man sich meistens erfolgreich um Definition desselben herum.  In den speziellen Fällen,  wo man sich mit Geld tatsächlich explizit beschäftigt,  hat das Geld aus dem Modell heutzutage so gut wie keine Ähnlichkeit mit dem Geld im realen Leben,  zumindest war es mein Eindruck, nachdem ich versucht habe „Interest and Prices“ von Michael Woodford zu lesen,  der immerhin als DER führende Geldtheoretiker gilt.
Da ich vorhabe in diesem Blog viel über geldbezogene Themen zu schreiben,    halte ich es für sinnvoll von vornherein zu erklären, was ich selbst unter Geld verstehe und damit ein Ausgangspunkt für spätere Artikel zu schaffen.
Was wird also in diesem Blog mit dem Begriff „Geld“ gemeint?  Die VWL-Lehrbücher definieren Geld als alles, dass folgende drei Geldfunktionen erfüllt:

  • Zahlungsmittelfunktion
  • Wertaufbewahrungsfunktion
  • Recheneinheitsfunktion

In diesem Blog ist die erste Funktion dafür ausschlaggebend,  ob ein Artefakt als Geld bezeichnet werden kann oder nicht.  So sind z.B. Staatsanleihen, die sehr gut als Wertaufbewahrungsmittel dienen können, kein Geld,  weil sie als Zahlungsmittel nicht verwendet werden.  Das gleiche gilt auch für Festgeld-Einlagen, die von der EZB als Bestandteil des M3-Geldmengenaggregates geführt werden – auch diese können nicht als Zahlungsmittel verwendet werden und sind in diesem Sinne kein Geld.  Die übrigen zwei Funktionen sind aus meiner Sicht für die Definitionszwecke eher sekundär, da sie sich aus der ersten ergeben – von künstlichen Beispielen abgesehen,  kann alles was als Zahlungsmittel dient auch zur Wertaufbewahrung dienen,  indem man das Zahlungsmittel für spätere Verwendung hortet.  Und, wenn ein Zahlungsmittel in einer Gesellschaft allgemein akzeptiert ist,  ergibt sich die Recheneinheitsfunktion von selbst.
Auf unsere Gesellschaft angewandt, erfüllen folgende zwei Artefakte die Zahlungsmittelfunktion:

  • Bargeld im Besitz der Nichtbanken
  • Einträge auf Girokonten bei Geschäftsbanken

Nur diese Artefakte können damit als Geld bezeichnet werden. Die EZB übrigens fasst die beiden Artefakte im Geldmengenaggregat M1 zusammen – das wäre also DIE Geldmenge im Sinne von diesem Blog.

Kann die EZB insolvent werden ?

Die Frage, die im Titel von diesem Beitrag gestellt wird, taucht in der wirtschaftlichen Blogo-Sphere immer wieder auf, zuletzt zum Beispiel in diesem Artikel. Die einen sagen, dass die EZB wie jede andere Bank selbstverständlich insolvent werden kann und danach vom Steuerzahler rekapitalisiert werden muß, so ähnlich wie es in der Vergangenheit mit IKB oder Hype Real Estate geschehen ist. Die anderen sagen hingegen, dass die EZB deshalb nicht insolvent werden kann, weil sie jederzeit Geld drucken würde um ihre Schulden zu begleichen. Nachfolgend würden allerdings Inflationsgefahren steigen.
Im vorliegenden Beitrag werde ich argumentieren, dass BEIDE Antworten falsch sind, und zwar deshalb, weil das Wort „insolvent“ auf eine Zentralbank wie die EZB im heutigen Geldsystem schlicht nicht anwendbar ist, so dass die ganze Diskussion letztendlich sinnlos ist.
Was bedeutet eigentlich „Insolvenz“. Die Wikipedia sagt uns dazu folgendes:

Eine Insolvenz (lateinisch insolvens‚ von solvere ‚zahlen‘), bezeichnet die Situation eines Schuldners, seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Gläubiger nicht erfüllen zu können.

Das heißt, damit man von einer Insolvenz reden kann, müssen Zahlungsverpflichtungen existieren, die der Schuldner nicht bedienen kann, wenn er dazu vom Gläubiger aufgefordert wird. D.h. solange diese Situation der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht eingetreten ist, ist der Schuldner rein technisch noch nicht insolvent. In der Praxis jedoch will man so eine Situation heutzutage nicht abwarten und verpflichtet einen Schuldner sich schon bei einer in naher oder ferner Zukunft drohenden Zahlungsunfähigkeit insolvent zu erklären. Tut der Schuldner das nicht, spricht man vom verschleppten Konkurs, was eine Straftat ist.

Betrachten wir jetzt eine stark vereinfachte EZB-Bilanz :

Auf der Passiv-Seite der Bilanz, wo normalerweise Zahlungsverpflichtungen stehen sollten, findet man … die Bestandteile der Geldbasis – Bargeld und Zentralbankguthaben der Banken sowie der Öffentlichen Hand. Beides sind in unserer heutigen Geldordnung gesetzliche Zahlungsmittel, was nichts anderes heißt, als dass durch die Übergabe derselben eine Zahlungsverpflichtung erfüllt wird. Was aber Bargeld und Zentralbankguthaben nicht sind, sie sind selbst keine Zahlungsverpflichtungen, die EZB zur Herausgabe von was auch immer zwingen würden. Mit anderen Worten, die EZB wie die meisten anderen Zentralbanken hat auf der Passivseite ihrer Bilanz keine Zahlungsverpflichtungen (und auch sonst nirgendwo keine) und kann deshalb definitionsgemäß (siehe oben) nicht insolvent werden.
Warum aber stellt die EZB überhaupt eine Bilanz zusammen, wenn deren Passivseite eigentlich keine ist? Das ist wirklich eine gute Frage, auf welche ich hoffe eines Tages eine Antwort zu kriegen. Vielleicht hat es historische Gründe – denn unter Goldstandard waren Bargeld und Zentralbankguthaben tatsächlich Zahlungsverpflichtungen und zwar auf Gold, welches damals (auch) ein gesetzliches Zahlungsmittel war. Zu der Zeit konnte eine Zentralbank zumindest theoretisch tatsächlich insolvent werden, obwohl es meines Wissens nie dazu kam, denn zuvor hat man immer die Einlösungspflicht von Bargeld und Zentralbankguthaben in Gold (also die Zahlungsverpflichtung) schlicht ausgesetzt.