Der Blogger Soffisticated hat sich in seinem letzten Beitrag erneut dem Target2-Thema zugewandt. Soffisticated gehört, wie man seinem Beitrag entnehmen kann, der relativ kleinen Gruppe von Ökonomen, Bloggern und Journalisten, die den Target2-Salden jegliche volkwirtschaftliche Bedeutung absprechen.Die Mitglieder dieser Gruppe kennen sich üblicherweise sehr gut in den Zentralbank-Interna aus und leiten aus diesem Wissen sehr „soffisticated“ Erklärungen für ihre Thesen ab. Und wenn man sich in dieser Interna NICHT auskennt, klingen die Ausführungen mitunter sogar ziemlich überzeugend. Deshalb aber werden diese Thesen leider nicht richtig. Um zu verstehen warum dem so ist, lohnt es sich, die Zentralbanken für einen Moment ganz zu vergessen und die Target2-Salden aus einem ganz anderen Blickwinkel zu betrachten, nämlich als Bestandteil der Zahlungsbilanz. Die Definition der Zahlungsbilanz lautet im Wikipedia wie folgt:
Die Zahlungsbilanz erfasst für einen bestimmten Zeitraum wertmäßig alle wirtschaftlichen Transaktionen zwischen Inländern und Ausländern und gibt Auskunft über die ökonomische Verflechtung einer Volkswirtschaft mit dem Ausland.
Die wirtschaftlichen Transaktionen aus der Definition sind Warenkäufe und Verkäufe, laufende Arbeits und Kapitaleinkommen, Investitionen, Kredite, Schenkungen usw. usw. Dementsprechend beinhaltet die Zahlungsbilanz für ein Land mit eigener Währung folgende Teilbilanzen:
- Handelsbilanz
- Einkommensbilanz
- Schenkungsbilanz
- Kapitalbilanz (Kapitalinverstitionen, Kredite, etc.)
- Devisenbilanz (Veränderung der Devisenreserven)
Die Devisenbilanz spielt hierbei eine besondere Rolle, denn jeder Veränderung in den ersten drei Bilanzen steht immer eine wertmäßig entgegengesetzte Veränderung in der Devisenbilanz entgegen. Das ist deshalb so, weil bei jeder wirtschaftlichen Transaktion ein Bezahlungsvorgang stattfindet, für welchen die Teilnehmer die Währung (Devisen) des jeweils anderen Landes brauchen. Es folgt, dass die gesamte Zahlungsbilanz definitionsgemäß immer ausgeglichen ist. Ein Land innerhalb der EWU kann aber Transaktionen mit anderen Ländern innerhalb der EWU tätigen, für welche es keine Devisen braucht. Für diese Transaktionen wird also eine weitere Bilanz benötigt, die die ausgleichende Rolle der Devisenbilanz spielen soll, und genau diese Rolle spielt im Moment die Target2-Bilanz (Veränderung des Target2-Saldo) . Für ein Land innerhalb der EWU besteht die ausgeglichene Zahlungsbilanz somit aus folgenden Teilbilanzen:
- Handelsbilanz
- Einkommensbilanz
- Schenkungsbilanz
- Kapitalbilanz (Kapitalinverstitionen, Kredite, etc.)
- Devisenbilanz (Veränderung der Devisenreserven)
- Target2-Bilanz (Veränderung des Target2-Saldo)
Die Summe der Devisenbilanz und der Target2-Bilanz gibt also, vereinfacht gesprochen, Auskunft darüber, ob ein Land durch wirtschaftliche Transaktionen mehr ausgibt als einnimmt oder umgekehrt. Zwischen den beiden gibt es aber einen grundsätzlichen Unterschied – während die Devisenbilanz eine Landes nicht permanent negativ sein kann, denn irgendwann gehen die Devisenreserven aus, so dass das Land mit der negativen Bilanz reagieren muß, üblicherweise mit einer Währungsabwertung, kann die Target2-Bilanz theoretisch beliebig ins negative wachsen, wenn hier keine Grenzen gesetzt werden. Und diese Grenzen kann in der heutigen Euro-Architektur nur die EZB setzen (und somit sind wir wieder bei Zentralbanken), indem sie den Geschäftsbanken in dem Defizitland die, für das weitere Anwachsen der negativen Target2-Salden notwendigen, Zenralbankkredite verweigert. Das tut die EZB im Moment verständlicherweise ungerne, denn damit würde sie die betroffenen Banken in die Pleite treiben und die Stabilität des Euro-Systems gefährden.